Nebeneinander in der Nichtexistenz

Was nicht erlaubt ist, das muss verboten sein.
Das ist es wahrscheinlich sogar.
Aber wo kein Henker, da kein Richter.

Ich stehe im zweiten Stock einer großen Fabrikhalle einer Brauerei. Es ist hell, die Sonne scheint durch die gebrochenen Scheiben. Es ist leer, der Boden bedenkt vom Glas. Es war eine Brauerei, heute ist es ein Haus, auf einem Gelände an einer viel befahrenen Straße, in diese Einfahrt fährt jedoch seit 20 Jahren niemand mehr. Wen es hier hin zieht, der sucht eine andere Welt und findet sie mit ihren eigenen Normen und Regeln. Machen die Scherben, die verbrannten Autos, die Graffiti und die unnachgiebigen Birken auch den Eindruck in ein Land der Anarchie hinabzusteigen.

Hier ist niemand zufällig. Jeder weiß worauf er sich eingelassen hat und hat sein Ziel. Sei es die große Rückwand, die freien Säle mit der coolen Akustik oder die Tupperdose zwischen dem Altmetall. In den Katakomben kannst du den Isomorph fantasieren, im Turm über der Stadt das einstige Bier besingen und auf dem Boden markieren an welchem gottverlassen Ort du deine Freundin rangenommen hast. Und zwischendurch findest du einen Golfball.

Keine Nachbarn zur Ruhestörung, ein Ort zum Saurauslassen. Zum rücksichtslos sein auf eigenem Risiko. Und doch alleine ist man nicht. Mit Freunden begebe ich mich auf Erkundungstour, getarnt und geleitet durch das Versprechen eines kleinen Schatzes. Wir sind nicht die Einzigen, beinahe wie in der einstigen Abfertigung kommen und gehen die Teams, wir dazwischen. Man hilft sich wenn es passt.

Ich stehe im zweiten Stock einer großen Fabrikhalle einer Brauerei. Wir müssen nach oben, an der großen Wand schaffen 2 Graffiti-Künstler und bereiten in aller Ruhe ihr Werk vor. Sie gucken uns kurz so skeptisch an, wie wir sie. Sie lassen sich nicht stören, wir uns auch nicht. Kurz darauf sind wir ein Stockwerk höher über ihren Köpfen und hangeln uns über die Metalllaufstege der Deckenkonstruktion. Man hört uns reden, die Sprayer philosophieren, wieso Geocacher sich diesen Ort und diesen Aufwand suchen. Eine durchaus berechtigte Frage. Die Sprayer und wir haben hier einen Ort gefunden außerhalb der Sichtweite. Ein Ort der Eigenverantwortung und der Rücksichtnahme. Man mag nicht verstehen, was der andere hier sucht, aber hat er es gefunden und belästigt nicht, so ist jeder zufrieden.

Von harmlosen Photografen, die die inspirierende Szenerie des Verfalls, kreativen Auslass und Zerstörung nutzen, bis pubertierende Mitzwanziger im Testosteronrausch und einer Aversion gegen heile Scheiben zieht dieser Ort alle in einen Bann.
Dieser Ort ist tot, doch sein Schatten ist noch.
Dieser Ort ist nicht erlaubt, er existiert nicht.

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