Im Rahmen meines Engagements für die lokalen Piraten in Treptow-Köpenick war ich vor kurzem bei der Ideenwerkstatt des Kungerkiezinitiative eV. Es sollte bei Vorträgen, einem Kamingespräch und Tischdiskussionen um neue Formen der Bürgerbeteilligung diskutiert werden. Die Veranstaltung war SPD-nah, aber für jeden offen, daher gesellte ich mich dazu. Es wurde ein langer Nachmittag.
Ich gehörte mit 27 zu den Jüngsten und wurde nur von einem JuSo noch unterboten. insgesamt waren etwa 40-50 Leute vor Ort.
Es ging los mit einem Vortrag, in dem der Begriff und die Bedeutung von Bürgerbeteiligung herausgestellt werden sollten. Es erschien aber eher als Versuch, das Wort “Beteiligung” möglichst oft in einem Satz unter zu bringen. Anschließend wurde zu Tisch geladen, jeder Tisch mit einem Thema, zu dem in moderierter Diskussion Stichpunkte aufgenommen wurden. Neben “Bürgerbeteiligung vor Ort”, “Beteiligung von Senioren und Behinderten” und Integration im Bezirk, gab es das Thema “Politische Beteiligung von Jugendlichen”, zu dem ich mich gesetzt habe. Mehr aus Neugier, als aus Sachkenntnis.
Ich habe eine Filterbubble.
Meine Filterbubble wirkt sehr gut, hilft mir irrelevanten Schwachsinn auszublenden und gibt mir auch im Piratenumfeld das Gefühl auf der richtigen Seite zu stehen. Auf der anderen Seite muss ich anerkennen, dass meine Filterbubble dafür sorgt, dass ich einige Themen gar nicht mitbekommen, Argumente nicht anerkenne oder verstehe. Aus dieser Blase heraus zu kommen ist mitunter ein großer Aufwand, noch viel größer die Filterbubble anderer Menschen zu erfahren und zu begreifen.
Die Diskussion am Tisch war schwer zu ertragen.
Neben mir, dem JuSo, war noch jemand vom Bezirksamt, 2 Betreiber von örtlichen Jugendclubs und eine Moderatorin von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Im Laufe der Diskussion wurde sehr offensichtlich, wie Diskussionsbeiträge von Personen bevorzugt wurden, die im Themenfeld arbeiten. Fragen und Anmerkungen von Leuten, die nicht an entsprechender Position teil der Thematik sind wurden sehr kurz weggewischt und nicht weiter behandelt. Dadurch war das Gespräch nie auf Augenhöhe und auch gute Ideen von Menschen, die nicht täglich mit der Frage konfrontiert sind “wie man mehr Jugendliche für politische Arbeit begeistern kann”, hatten keine Chance im Ansatz diskutiert zu werden oder da heraus Themen/Gedanken entstehen zu lassen. Die Moderatorin machte den Eindruck sehr genau zu wissen auf welche Aussagen sie gewartet hat und entsprechend auch nur diese auf zu schreiben.
Nachdem ich mehrmals abgebügelt wurde habe ich mich zurück gelehnt und beobachtet.
Man kann mir vorwerfen, ich hätte mich stärker einbringen können und auch piratenbezogene Antworten auf die gestellten Fragen liefern können.
Ich habe das nicht gemacht. Ich hatte im weiteren Verlauf nicht, das Gefühl, dass hier wirklich nach etwas Neuem gesucht wurde, sondern dass sich bekannte Akteure bekannte Allgemeinposten entgegnen.
Ich zog mich daher zurück und beobachtete die Diskussion als solches, im Ziel zu Ergründen, was für eine Erwartung herrscht und was für ein Menschen-/Realtiätsbild bei den Gesprächsteilnehmern vorliegt.
Mit anderen Worten ich begann ihre Filterbubble zu analysieren.
Der Nachmittag hätte für viele Teilnehmer erhellend sein können. Ich hätte mit einer Vorstellung von Liquid Democracy ein Thema in den Raum werfen können, das viele der bekannten und diskutierten Beteiligungskonzepte auf den Kopf stellt. Ich hätte, hab ich aber nicht. Stattdessen wurde der Nachmittag nur für mich sehr erkenntnisfördernd.
Nachdem sich unausgesprochen geeinigt wurde, dass die Diskussion nicht nur über Jugendliche, sondern über Beteiligung allgemein gehen sollte, konnte man mitverfolgen, wie die existierenden Konzepte neu aufgewärmt werden. Bürgerinitiativen, Kiezinitiativen, Bürgerbegehren, Bürgerhäuser, Kiezversammlungen, yadda-yadda-yeah. Wichtig war irgendwann das Eingeständnis in der Diskussion, dass die BVV-Politiker oder das Bezirksamt, am Ende des Tages eigentlich keine Ahnung haben, was der einzelne unorganisierte Bürger will. Gesehen wird nur wer sich organisiert, wer sich zusammenrottet, wer laut wird.
Dies war der Punkt, an dem ich den Zweck von Partei-externen Bezirksliquids begriffen habe.
Ich verstehe Liquid Feedback in diesem Zusammenhang als Werkzeug zur Meinungsfeststellung, nicht als Beschlusswerkzeug. Als einen Zugang jedes Einzelnen Ideen in einem formalen System einfließen lassen zu können. Als eine Chance der Politik Fragen über Strategien und Ziele in einem definierten Rahmen an jeden Bürger stellen zu können.
Hier ist die Chance, die Projekte wie Liquid Friesland ergreifen.
Bei der Vorstellung der Diskussionsergebnisse alle Tische wird an jemandem vom Bezirksamt die Frage gerichtet, ob nicht über das Internet mehr Bürgernähe hergestellt werden könnte. Seine Antwort war, er sähe dafür keine Notwendigkeit, weil “Das Internet ist nicht zuverlässiger!”
Am Ende dieser Diskussion bin ich gegangen. Ich bin ja sicher, das es alles schlaue Menschen dort waren, aber mir hat es gezeigt wie alte Denkweisen, keine neuen Gedanken schaffen. Wie ihre Filterbubble verhindert Ideen außerhalb der Blase wahrzunehmen und einen Rahmen zu schaffen in dem diese auch vorurteilsfrei diskutiert werden können.