Pfandsammler

Gestalten zu Sylvester, unauffällig und doch präsent.

Zwischen der vorletzten Woche des Dezember und der ersten Woche des Januar ist eine Zeit, die sich vor Traditionen nur so überschlägt.

Das neue Jahr ist nun schon eine Woche alt und endlich hat uns der der alte Trott wieder befallen, doch wollen wir noch einmal eine Woche zurück denken.

Zwischen dem letzten mitternächtlichen Glockenschlag und dem ersten Ploppen des Sektkorkens gibt es aber noch Traditionen, die man gar nicht wahrnimmt. Menschen, die einem in der uneingeschränkten Vorfreude aufs Neujahrsantrinken gar nicht auffallen.

Diese Menschen sind draußen im hegen Treiben, doch nicht auf der Suche nach dem besten Platz zum Gucken des Feuerwerks oder dem wärmsten Getränk. Nein, es sind Jäger der anderen Sorte: Pfand.

Mit mehr als einer Hand voll Leuten pro Quadratmeter strömt der Sylvesterstrom durch die Straßen der Großstadt. Einige fangen spontan an zu Singen – infolge des vermehrten Alkohol. Andere liegen sich bereits in den Armen – als Stütze, ebenfalls aufgrund Alkohol. Und die dritte Gruppe sieht nur noch Sterne und Glitzer – kann auch Alkohol als Grund haben, muss aber zu Sylvester nicht, obwohl …
Die Masse Menschen kommt an einem Eimer vorbei. Endlich, ist es doch so verpönnt seine Flaschen einfach an des Nächsten Kopf zu entsorgen. So ist doch diese Oase am Straßenrand gerade recht, sich seiner leer leidigen Flaschen zu entledigen. Nach wenigen Minuten türmt es gläsern um den einst orangenen Behälter des anthropologischen Nachrufs.

Jetzt schlägt die Stunde, nicht Mitternacht, aber die Stunde des Pfandjäger. Mit Plastiktüten bewaffnet tingeln sie von Mülleimer zu Mülleimer und untersuchen diese mit einem Blick, gepaart von Skepsis und Gier. Gleich einem Goldgräber vor der tropfenden Sieb. Drehen sie Flasche nach Flasche in der Hoffnung weitere 15cent ergattern zu können. Und siehe da, oft wird er fündig, die Tüte füllt sich und der nächste Mülleimer wird ins Visier genommen.

Gelegentlich trifft er Kollegen, doch Konkurrenz ist hier nicht zu sehen, es ist ja genug für alle da. Freundlich vergleicht man seine Beute und geht weiter seines Weges.

Doch wohin geht der? So unauffällig wie der Pfandsammler seiner Berufung nachgeht, verschwindet er auch schon kurz vor dem Jahreswechsel. Die Party steigt, doch ohne ihn. Seine Party steigt erst am folgenden Montag mit 2,65 € Gewinn aus dem Lidl-Markt.